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Ein Basler Landschaftsmaler zwischen Rom und St. Petersburg

Kunstmuseum Basel, 16. November 2013 bis 16. Februar 2014
Vernissage: Freitag, 15. November 2013, 18.30 Uhr

Gemeinsam mit dem Kunstmuseum Basel widmet die Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts in Olten Jakob Christoph Miville erstmals eine umfangreiche monografische Ausstellung, die Zeichnungen und Gemälde aus schweizerischen und russischen Sammlungen zusammenführt. Die Präsentation und der dazu erscheinende umfangreiche Katalog sind das Resultat eines langjährigen Forschungsprojekts, das Hans Christoph Ackermann und Katja Herlach im Auftrag der Stiftung realisiert haben. Ausgangspunkt dafür war der sich dank einer Schenkung von Hans Lanz seit 1992 zu grossen Teilen in Olten befindliche künstlerische und schriftliche Nachlass des Künstlers. 

Der Basler Maler, Zeichner und Pädagoge Jakob Christoph Miville (1786–1836) hat die frühromantische Landschaftsmalerei der Schweiz wesentlich geprägt. Er wurde zum Pionier, indem er nicht nur die Umgebung von Rom und die Schweizer Alpen erkundete, sondern mehrere Jahre in Russland verbrachte. In dieser ungewohnten Umgebung schärfte er seine Wahrnehmung der Natur. Ferner wirkte er als innovativer Zeichenlehrer in St. Petersburg und Basel auf die nachfolgende Künstlergeneration ein. 

Jakob Christoph Miville wurde als Sohn des wohlhabenden Seidenfärbers Johann Jakob Miville und seiner Frau Margarethe Miville-Lotz 1786, noch im Ancien Regime, in Kleinbasel geboren. Er hat seine Ausbildung als Zeichner bei Peter Birmann in Basel und als Maler bei Johann Caspar Huber in Zürich genossen. Bald zog es ihn wie viele Künstler seiner Zeit nach Rom, wo ihm die Kontakte zu den Deutschrömern Joseph Anton Koch und Johann Christian Reinhart wichtige Impulse gaben, etwa das intensive Zeichnen in der Natur. Im internationalen Umfeld der römischen Künstlergemeinde entwickelte er sich 1805 bis 1807 zu einem selbständigen Landschaftsmaler.

Mivilles Aufmerksamkeit galt nach der Rückkehr nach Basel den Schweizer Alpen, einem damals beliebten Sujet für Landschaftsmaler, sowie der Umgebung von Basel. Doch trotz grosser Anerkennung blieben in der politisch turbulenten Zeit die ersehnten wirtschaftlichen Erfolge aus und Miville zog weiter in Richtung Norden. Er hoffte, sein Glück in Russland zu finden, wo er sich von 1809 bis 1816 aufhielt. 1810 trat er in Moskau als Zeichner und Landvermesser in den Dienst von Graf Grigori Orlow, dem Oberintendanten der Kaiserlichen Staatsforste, und folgte ihm nach St. Petersburg. Von dort aus wurde er zur Erfassung der Wälder in die neuen Provinzen im Baltikum und nach Finnland entsandt. Nach zwei Jahren fand Miville als Zeichenlehrer am progressiven Bildungsinstitut des Zürcher Pastors Johannes von Muralt eine neue Anstellung. Dort entwickelte er eine an der Reformpädagogik Johann Heinrich Pestalozzis orientierte moderne Zeichenmethode. 1814 bereiste er die Krim, um Ansichten für Gemälde dieser 1783 vom Zarenreich annektierten «Perle des Imperiums» zu sammeln.

Inspiriert von der Weite der nordischen Landschaft entwickelte er ein neues Naturempfinden und fand zu einer romantischen Auffassung der Landschaft, die auf intensivem Naturstudium aufbaute. Das umfangreiche Studienmaterial, das er 1816 nach Basel zurückbrachte, bildete auch in der Schweiz die Grundlage für ausgearbeitete Zeichnungen und Gemälde. Um die nach wie vor schlechten Verdienstmöglichkeiten in der Schweiz auszugleichen, malte er russische Landschaften für den St. Petersburger Adel. Es gelang ihm unter anderem, eine 40-teilige Gemäldeserie von Motiven der Krim an die Gräfin Anna Wladimira Bobrinksi zu verkaufen und sich so einen zweiten Romaufenthalt von 1819 bis 1821 zu finanzieren.

Dieser Aufenthalt war stark von der Auseinandersetzung mit seinem Vorbild Joseph Anton Koch und der heroischen Landschaft geprägt. Daneben nahm Miville neue Tendenzen wie das von den französischen Künstlern in Rom praktizierte Pleinair- und Wolkenstudium in Öl auf und liess sich von englischen Kollegen zu grosszügig-stimmungsvollen Landschaftsaquarellen anregen.

Der patriotisch motivierte Wunsch, sich als Maler der Schweizer Alpenwelt verdient zu machen, veranlasste ihn zur Rückkehr in die Schweiz. In den Sommermonaten durchstreifte er die verschiedenen Gegenden des Landes mit Zeichenstift und Malkasten, um diese Eindrücke dann im Winter in Basel zu Gemälden zu verarbeiten. Nach 1821 entstanden ausserdem die beiden ambitionierten, grossformatigen Hauptwerke Italienische Landschaft und Schwingfest auf der Balisalp sowie ein Porträtserie von Personen aus seinem Familien- und Freundeskreis. Eine dauerhafte Existenzgrundlage fand Miville aber erst ab 1826 als erfolgreicher und innovativer Zeichenlehrer der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen.

Jakob Christoph Miville hat ein reiches und vielfältiges zeichnerisches und malerisches Oeuvre hinterlassen, dass sich heute hauptsächlich im Kunstmuseum Basel, einer Basler Privatsammlung sowie – dank einer Schenkung von Hans Lanz, dem ehemaligen Direktor des Historischen Museums Basel – in der Oltner Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts befindet. Von den über 70 ins Zarenreich verkauften Gemälden konnten inzwischen 25 Krimgemälde in öffentlichen Sammlungen in Russland, in der Ukraine und Armenien aufgespürt werden.

Durch seine Auslandaufenthalte und den regen Austausch in einem internationalen Freundeskreis war Miville über die künstlerischen Entwicklungen der Zeit bestens informiert. Er hat die aktuellen Tendenzen wie die Neubelebung der heroischen Landschaftsmalerei aus dem Geist der Romantik, das Pleinair- und Wolkenstudium oder wissenschaftlich geprägte Darstellungsformen wie das Panorama früh aufgegriffen und für sein schweizerisches Umfeld erschlossen. Seine Ansichten der nordischen Landschaft, der Krim und des Kaukasus sind auch im überregionalen Kontext pionierhaft, und mit der Gemäldeproduktion für den russischen Markt verfolgte er ein für die Schweiz damals einzigartiges Verkaufskonzept.